Nahaufnahme von Händen bei der Kaffee-Ernte

EU-Parlament beschließt Verbot Keine Produkte aus Zwangsarbeit mehr für die EU

Stand: 23.04.2024 17:12 Uhr

Das EU-Parlament will Produkte aus Zwangsarbeit verbieten. Das könnte auch Importe aus der chinesischen Provinz Xinjiang treffen. Kritiker sagen: Ohne Beweislastumkehr sei das Gesetz jedoch wirkungslos.

Das Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit hat in der EU eine wichtige Hürde genommen. Das Europaparlament stimmte dafür, dass die Produkte an den Grenzen beschlagnahmt und vom Markt verbannt werden sollen. Die EU-Staaten müssen dem Vorhaben noch zustimmen. Das gilt aber als Formsache.

Damit nimmt die EU auch mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen in China ins Visier: Das Verbot soll unter anderem Importe aus der chinesischen Provinz Xinjiang treffen, wo westliche Staaten die Ausbeutung der muslimischen Minderheit der Uiguren vermuten.

Wie das Verbot funktionieren soll

Konkret sollen die Fälle aufgedeckt werden, indem Behörden Untersuchungen einleiten, wenn sie in der Lieferkette eines Produktes Zwangsarbeit vermuten. Bei mutmaßlicher Zwangsarbeit innerhalb der EU sind die Behörden der Mitgliedstaaten zuständig, außerhalb der EU die Kommission in Brüssel.

Bestätigt sich der Verdacht, soll die Grenzpolizei Waren beschlagnahmen und sie sollen nicht mehr auf dem europäischen Markt zu kaufen sein. Verschärfte Regeln sollen für Regionen und Wirtschaftsbereiche gelten, in denen staatlich organisierte Zwangsarbeit vermutet wird.

Geldstrafen für Unternehmen ab 2027

Die betreffenden Produkte müssen dann verschenkt, recycelt oder vernichtet werden. Unternehmen, die sich nicht an die Vorschriften halten, drohen Geldstrafen. Die Mitgliedsländer müssen die Verordnung ab 2027 im Einzel- und Online-Handel anwenden.

Neue Datenbank für Belege von Zwangsarbeit

Fachleuten zufolge ist es besonders in Fällen von staatlich organisierter Zwangsarbeit schwierig, die Arbeitsbedingungen vor Ort zu untersuchen und Belege zu finden. Die Behörden sollen sich deshalb etwa auf allgemeinere wissenschaftliche Erkenntnisse stützen können.

Dafür soll die EU-Kommission nun eine ausführliche Datenbank einrichten. Die Staaten sollen künftig auf Hinweise von internationalen Organisationen, Behörden in Partnerländern oder Whistleblowern Nachforschungen unternehmen.

Schätzung: Viertel der Zwangsarbeit von Kindern gemacht

Darunter könnte etwa die chinesische Provinz Xinjiang fallen. Fachleute wie der China-Experte Adrian Zenz gehen davon aus, dass mehr als eine Million muslimische Uiguren in der Region unter dem Vorwand sogenannter Maßnahmen zur "Armutsbekämpfung" zur Arbeit gezwungen und streng überwacht werden.

Der UN-Menschenrechtsrat spricht in einem Bericht von erheblichen Menschenrechtsverletzungen und glaubhaften Vorwürfen von Folter und bestätigt die Vorwürfe der Zwangsarbeit von Uiguren in China. Staatlich organisierte Zwangsarbeit vermuten Experten außerdem etwa bei der Baumwollernte in Turkmenistan und in der Landwirtschaft in Usbekistan.

Im Jahr 2021 waren nach Schätzungen der EU 27,6 Millionen Menschen weltweit von Zwangsarbeit betroffen, der Großteil in Asien und im Pazifikraum. Kinder machen demnach ein Viertel aus.

"Gute Nachricht für die Menschenrechte"

Mit dem Gesetz nutze "die Europäische Union ihre Marktmacht, um Zwangsarbeit weltweit zu bekämpfen", begrüßte die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses im Parlament, Anna Cavazzini, das Gesetz. Es sei eine "gute Nachricht für die Menschenrechte weltweit", aber auch für europäische Unternehmen, die aktuell unter Dumping-Importen aus Regionen mit Zwangsarbeit leiden würden.

Der EU-Parlamentarier Helmut Scholz (Linke) sagte, der Beschluss schaffe Gewissheit für Konsumenten "So muss sich in Zukunft niemand mehr fragen, ob der morgendliche Kaffee durch Zwangsarbeit hergestellt wurde, denn solche Produkte dürfen dann nicht länger auf den Binnenmarkt gelangen", sagte er.

"Ohne die Beweislastumkehr ist das Gesetz wirkungslos"

Sozialdemokraten, Grüne, Linke und Teile der Liberalen im Europaparlament hatten in den Verhandlungen gefordert, dass sich beim Verdacht auf staatlich organisierte Zwangsarbeit die Beweislast umkehrt.

Damit hätten Unternehmen beweisen müssen, dass es in ihren Lieferketten keine Zwangsarbeit gibt. "Ohne die Beweislastumkehr ist das Gesetz wirkungslos", hatte auch der China-Experte Zenz gewarnt. Unter den Mitgliedstaaten gab es dafür jedoch keine Mehrheit.

Verbot komme "zur falschen Zeit"

Der Vorsitzende der Unionsabgeordneten im Europaparlament, Daniel Caspary (CDU), kritisierte das Gesetz aus anderen Gründen. Die Verantwortung dürfe nicht ausschließlich bei den Unternehmen, die schon durch hohe Rohstoff- und Energiepreise sowie bürokratische Auflagen sehr belastet seien, abgeladen werden. Das Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit komme "grundsätzlich zur falschen Zeit".

Der deutsche Chemiekonzern BASF und der Autobauer Volkswagen waren im Februar unter Druck geraten, weil sie mit Unternehmen in Xinjiang zusammenarbeiteten und dort mutmaßlich uigurische Zwangsarbeiter einsetzten.

In der USA haben Unternehmen Beweispflicht

BASF kündigte daraufhin seinen Rückzug aus der Region an. VW verwies hingegen auf eine interne Überprüfung, die keine Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen im Rahmen seiner Aktivitäten in Xinjiang ergeben habe.

In den USA gilt bereits seit 2021 ein Gesetz zur Verhinderung der Zwangsarbeit der Uiguren. Hersteller müssen seitdem nachweisen, dass in ihren Produktionsketten keine uigurischen Zwangsarbeiter eingesetzt wurden. Befürworter des EU-Gesetzes warnten deshalb, ohne eine entsprechende europäische Regelung würden Produkte aus Xinjiang vermehrt in die EU importiert.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 23. April 2024 um 14:45 Uhr.